
Jeder Raum hat Wirkung. Selbst wenn wir ihn nur flüchtig betreten. Architektur spricht zu uns – durch Licht, Proportion, Material und Akustik. Räume formen unsere Wahrnehmung, steuern unser Verhalten, beeinflussen unsere Stimmung. Diese Wirkung ist keine Nebensache. Sie ist der Kern dessen, was Architektur im Alltag der Menschen ausmacht.
Als Architekturbüro sehen wir darin eine zentrale Verantwortung: Räume so zu gestalten, dass sie nicht nur funktional „erfüllen“, sondern atmosphärisch und emotional positiv wirken – bewusst, differenziert und nutzerorientiert.
Architektur kommuniziert – auch ohne Worte
Die Wirkung eines Raums vermittelt sich meist auf einer intuitiven Ebene. Wir alle kennen es: Schon beim Betreten eines Gebäudes spüren wir, ob wir willkommen sind. Ob der Raum Offenheit vermittelt oder Distanz schafft. Ob er Orientierung gibt oder Unsicherheit erzeugt.
Diese Wahrnehmungen entstehen durch eine Vielzahl von gestalterischen Faktoren, die im Zusammenspiel ein Gesamtbild erzeugen. Architektur ist damit immer auch eine Form nonverbaler Kommunikation.
Ein gelungenes Foyer etwa erzählt von Transparenz und Zugänglichkeit. Ein zurückhaltend gestalteter Seminarraum unterstützt Konzentration. Ein lebendig gegliederter Stadtraum fördert soziale Interaktion. Und ein gut proportionierter Flur lädt eher zum Aufenthalt als zum schnellen Durchqueren ein.
Emotionen und Verhalten sind gestaltbar
Als Planerinnen und Planer haben wir die Möglichkeit – und die Pflicht –, diese Raumwirkung bewusst zu steuern. Dazu gehört die Frage: Welche Emotionen und Verhaltensweisen wollen wir mit dem Raum unterstützen?
Beispiele aus unserer täglichen Praxis:
- In einem modernen Bürogebäude können offene, lichtdurchflutete Begegnungszonen die Kommunikation und den Austausch zwischen Abteilungen fördern, während gezielt gestaltete Rückzugsräume konzentriertes Arbeiten unterstützen. Eine flexible Raumkonzeption, die unterschiedliche Arbeitsmodi ermöglicht, trägt maßgeblich zur Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeitenden bei.
- In einem Bildungshaus kann eine klare räumliche Struktur dazu beitragen, Stress zu reduzieren und das soziale Miteinander zu fördern.
- In einem Verwaltungsgebäude kann die Gestaltung von Übergängen zwischen Arbeits- und Begegnungsbereichen Kreativität und Austausch anregen.
Jede architektonische Entscheidung – von der Grundrissdisposition bis zur Lichtinszenierung – beeinflusst, wie sich Menschen in einem Raum bewegen, verhalten und ihn emotional erleben.
Atmosphäre als bewusstes Gestaltungselement
Atmosphäre ist für uns kein beiläufiges Produkt von Architektur. Sie ist ein aktives, bewusst eingesetztes Gestaltungsmittel.
Wir fragen uns bei jedem Projekt:
- Welche Grundstimmung soll der Raum vermitteln?
- Soll er beruhigen oder aktivieren, sammeln oder vernetzen?
- Soll er Offenheit oder Geborgenheit erzeugen?
- Welche Lichtstimmungen begleiten die Nutzung im Tagesverlauf?
- Wie ergänzen Materialien, Farben und Akustik diese Wirkung?
Dabei denken wir Atmosphäre nicht als isolierte ästhetische Qualität, sondern immer im Zusammenhang mit Funktion, Identität und Kontext. Ein gut gestalteter Raum unterstützt seine Nutzerinnen und Nutzer dabei, sich intuitiv zurechtzufinden, sich wohlzufühlen und den Raum angemessen zu nutzen.
Das Zusammenspiel der gestalterischen Mittel
Die emotionale und verhaltensbezogene Wirkung eines Raums entsteht im Zusammenklang vieler Faktoren:
- Licht: Tageslichtführung, künstliches Licht, Lichttemperatur, Lichtdynamik
- Proportion: Raumhöhe, Weite, Maßstab, Verhältnis von Offenheit und Geschlossenheit
- Material: Haptik, Textur, Oberflächenreflexionen, Materialehrlichkeit
- Farbgestaltung: Farbbalance, Akzentsetzung, visuelle Ruhe
- Akustik: Schalldämpfung, Klangwirkung, Hintergrundgeräuschpegel
- Orientierung: Raumabfolge, Sichtbeziehungen, Klarheit der Wegeführung
All diese Mittel stehen uns zur Verfügung, um Räume zu schaffen, die nicht nur genutzt, sondern erlebt werden.
Verantwortung für Raumwirkung
Räume wirken – ob wir es bewusst planen oder nicht. Daher sehen wir es als unsere Aufgabe, diese Wirkung gezielt zu gestalten und sie mit den Bedürfnissen der Menschen in Einklang zu bringen.
Das bedeutet für uns:
- Räume so zu entwerfen, dass sie positive emotionale Erlebnisse ermöglichen.
- Nutzerverhalten aktiv mitzudenken und zu fördern.
- räumliche Atmosphäre als integralen Bestandteil der Entwurfsidee zu begreifen.
- architektonische Mittel bewusst und mit Feingefühl einzusetzen.
Denn Architektur hinterlässt Spuren im Alltag der Menschen. Wir haben die Chance, diese Spuren positiv zu prägen – durch Räume, die inspirieren, entlasten, stärken und verbinden.
Im nächsten Beitrag erfahren Sie, warum wir Licht nicht nur planen, sondern als aktiven Gestaltungsfaktor begreifen – für Räume, die im Tagesverlauf lebendig bleiben.